
Eine Hommage an Franz Hodjak
In dem ersten Artikel, der Franz Hodjak in dieser Nummmer unserer Zeitschrift gewidmet wird, bespricht Cosmin Dragoste – sein Übersetzer ins Rumänische – nicht nur den hervorragenden Dichter, aber er heat auch den Menschen Franz Hodjak hervor (siehe: https://www.fitralit.ro/27-10-2025-cosmin-dragoste-uriasul-din-poveste/) und wir bringen in dieser Nummer auch einige seiner Gedichte auf Deutsch und in der rumänischen Übertragung von Cosmin Dragoste (siehe: https://www.fitralit.ro/27-10-2025-franz-hodjak-weg-ohne-schritte-drum-fara-de-pasi/). (Peter Sragher)
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Sonntag. den 6. Juli 2025 ist mein lieber alter Freund Franz Hodjak in der hessischen Kleinstadt Usingen von uns gegangen. Dreieinhalb Stunden davor konnte ich ihm noch einmal über die Schulter und seine grauen Locken streichen, seinem tiefen, regelmäßigen Atem zuhören ⸺ es schien mir, überwältigt vom sonntäglichen, existentiell geprägten Augenblick im Beisein seiner fürsorglichen Frau Julia und seiner Tochter Astrid wie eine Kantate von Bach.
Kurz nach 18 Uhr hatte er seinen Koffer voller Sand, Bücher und unveröffentlichter Typoskripte, sowie sein allerletztes handschriftliches, leider nicht mehr entzifferbares Gedicht definitiv gepackt. Damit ist diese Welt um einen bedeutenden Schriftsteller und Aphoristiker ärmer geworden, der uns, die wir uns dezidiert für originäre Literatur, Kreativität und Zeitläufte, fürs Da-Sein interessieren, seit vielen Jahrzehnten bereichert hat.
Ein Kopf voller buchstäblicher Schönheit, Schöpferkraft und Schreibfreude, voller Elan und Energie bis zuletzt, nie um einen geistreichen, ironischen Einfall verlegen, dem Leben in allen Lagen als Genießer und Neugieriger zugeneigt, ein streitbarer Geist und für mich ein standhafter, unvergesslicher Freund, der als Lektor des Dacia Verlags in Klausenburg (Cluj, Rumänien) in komplizierten Zeiten der Diktatur jüngere Kollegen und das freie Dichterwort selbstlos gefördert hat, so unter anderem Rolf Bossert, Horst Samson, Werner Söllner, Richard Wagner, Balthasar Waitz, Hellmut Seiler und andere.
Unser von ihm geplanter gemeinsamer Lyrikband wird es nun nicht mehr geben. Dass es mein Poem La Victoire gibt, habe ich seinem Rat und Einwurf zu verdanken. Er ruhe in Frieden in seiner Zeit, in der unseren und in der künftigen. Seine Zeit hat er genossen und genutzt, nicht um Zeit zu verschwenden, sondern um sie in Literatur dieser Welt umzumünzen. Franz Hodjak ist bleibt für mich vor allem ein überragender Dichter, der die Landschaft der gegenwärtigen deutschsprachigen Poesie um Hauptes- und Sprachenlängen überragte, der aber trotz seiner maßgeblichen Bücher in den letzten Jahren seines Lebens von einem bornierten, blinden und ignoranten, in einer Blase gefangenen deutschen Lyrikbetrieb an den Rand gedrängt wurde.
Jeder seiner Gedichtbände hätte einen bedeutenden Literaturpreis verdient, aber für ihn ⸺ wie für andere deutsche Schriftsteller aus der einst von Frank Schirrmacher (FAZ) gepriesenen „Fünften deutschen Literatur“ ⸺ ist mit der schrägen Zeit in der … „buntesdeutschen“ Blase kein Platz mehr geblieben. Eines aber ist sicher und bleibt gewiss, die fälschlicherweise so bezeichnete „rumäniendeutsche Literatur“ wird keiner der Kritiker & Luftikusse, die ignorant, kurzsichtig, gestelzt und oft von sehr weit hergeholt an der Lyrik und der Sprache vorbeikritisieren, von der Weltkarte der Literatur löschen oder vertreiben können. Dafür hat auch Franz Hodjak an vorderster Front eindrucksvoll mit einem großen, vielfältigen und beständigen literarischen Werk gewirkt und Vorbildliches geleistet.
Unsere Zukunft ist mit seinem Ableben keineswegs zu Ende, es gibt uns noch, und auch künftig trinken wir miteinander ab und zu ein kühles, schwarzes Bier, er und Wulf Kirsten im Himmel, ich und wir anderen noch Irdischen hier!
Sei auch auf diesem Wege der Revista de traduceri literare (Zeitschrift für literarische Übersetzungen) herzlichst gegrüßt und gute Reise in die Nachwelt der Literatur, wo immer du im Augenblick gerade bist, diskutierst oder schreibst!
Horst Samson,
Neuberg, 2025

Hier mein Lieblingsgedicht unter den vielen betörenden Gedichten aus seiner Feder:
Franz Hodjak
GEDICHT MIT KÄFER
Über das leere Blatt Papier kriecht ein kleiner Käfer der
keine Spuren hinterlässt wie einsam muss dieser
Käfer sein über den ich nichts weiß und der keine Spuren
hinterlässt auf einem neugierigen Blatt Papier kommt
er aus dem Osten oder von Athos ist er Inder
oder orthodox oder Anarchist oder in der Friedensbewegung
oder schwul oder Biertrinker oder Fetischist oder alles
zusammen wird er abgeschoben ist er
heimatlos oder Deutscher der auswandern will und
weiß das wovor er flieht ist universal oder schreitet
er bloß so majestätisch einher um dem Nichts
Erhabenheit zu verleihen wie heißt dieser kleine
Käfer und weshalb sucht er dieses Blatt
Papier auf über das er so demonstrativ kriecht ohne
eine Spur zu hinterlassen
Aus dem Gedichtband Die Faszination eines Tages, den es nicht gibt
(din volumul de poezii Fascinația unei zile care nu există)












![[VIDEO] – Rodian Drăgoi recitând poezie](https://www.fitralit.ro/wp-content/uploads/2018/11/maxresdefault-1-324x160.jpg)